Der Watterbacher Tragaltar
Der sogenannte "Watterbacher Tragaltar" nimmt in der kunstgeschichtlichen Forschung einen hohen Stellenwert ein und als ein "ottonisches" Kunstwerk spielt er eine besondere Rolle. Dieses bedeutende Kunstwerk stammt etwa aus dem Jahr 1000, und ist damit über 1000 Jahre alt. Dieser Tragaltar hat nichts zu tun mit Altären, die in Kirchen als Hoch- Seiten- oder Meßaltar zu finden sind.
Der Watterbacher Tragaltar hat nur eine Größe von 35 cm Länge, 23 cm Breite und eine Höhe von 2,6 cm. Er besteht aus einer 2,4 cm starken Eichenholzplatte, die mit vergoldeten, teils stark abgeriebenen Kupferplatten verkleidet ist. Früher enthielt dieser Altar wahrscheinlich Reliquien. Man nimmt an, dass die ursprüngliche Form ein Kasten war, in dem die Reliquien von Heiligen aufbewahrt, auf den Altar gestellt und wieder weggetragen wurden. Der Name "Portabile" = tragbar deutet darauf hin.
Wie kam der Altar nach Watterbach?
Zur Einweihung der neu erbauten Watterbacher Kirche (1779) wollte der Abt von Amorbach ein Geschenk mitbringen und nahm dazu aus den alten Klosterbeständen ein für ihn wertloses und altmodisches Stück mit und schenkte es der Kirche zu Watterbach.
Wie kam der Altar nach München?
Ein gewisser Stadtpfarrer Münzenberger aus Frankfurt a. Main sprach die Bitte aus, den Watterbacher Tragaltar und auch noch andere altertümliche Figuren zu erwerben. Daraufhin wurde am 6. Juli 1885 ein Gutachten vom "Generalconservatorium der Kunstdenkmäler und Altertümer Bayerns" erstellt, das folgenden Wortlaut trägt:
"Der materielle Wert dieses Gegenstandes ist nicht erheblich, wohl aber hat derselbe Bedeutung für die Entwicklungsgeschichte der künstlerischen Technik. Solche historische Denkmale sollten dem Land erhalten bleiben und soweit irgend möglich, dem künstlerisch und historischen Studien zugänglich gemacht werden. Der unterzeichnete Generalkonservator kann daher dem Verkauf jenes "Kupferbleches" an Herrn Stadtpfarrer Münzenberger in Frankfurt nicht zustimmen und würde noch viel weniger billigen, dass das Werk an irgend einen anderen Händler oder Sammler verkauft würde. Da andererseits jener altertümliche Gegenstand an seinem bisherigen Aufbewahrungsort völlig unbeachtet der Vergessenheit und dem Ruin verfallen könnte, so schlagen wir vor, die Kirchenverwaltung Watterbach möge das fragliche Kupferblech dem bayer. Nationalmuseum in München käuflich überlassen, wobei die Direktion des Museums bereit wäre 150 Mark zu zahlen. In den für kirchliche Altertümer bestimmten Sälen des Museums fände die künstlerische alte Arbeit den ihr würdigen Platz, sie bliebe dem Lande erhalten, würde dauernd vor dem Verderben bewahrt und böte kirchlichen, historischen und künstlerischen Forschern eine ganz kleine, aber doch nicht unwichtige Anregung."
Tatsächlich fand man vom Jahre 1885 in der Kirchenrechnung der Kirchenstiftung Watterbach den Betrag von 150 Mark, die vom Nationalmuseum München für die Überlassung des Tragaltars gezahlt wurden. Sicher hatte zur damaligen Zeit niemand den tatsächlichen Wert erkannt. Bei der Ausstellung "Franconia Sacra" wurde 1952 in Würzburg der Watterbacher Tragaltar ausgestellt und dabei mit 500.000 DM versichert. Auch war man damals in Watterbach vermutlich in Geldnöten, nachdem ein neuer Kaplan eingeführt und das Pfarrhaus (1874) neu gebaut wurde, für die Watterbacher sicher ein gewaltiger Kraftakt.
Ein Trost kann sein, dass dieses Kunstwerk nun in guten Händen und sicher verwahrt ist. Durch ständige Messungen der Luft und in einer Glasvitrine aufbewahrt bleibt der Watterbacher Tragaltar somit der Nachwelt erhalten und ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Bei einem Aufenthalt in München lohnt sich ein Besuch im bayerischen Nationalmuseum, das neben "unserem" Tragaltar noch ein zahlloses Inventar zu bieten hat. Die Ausstellung ist in dem von Bayerns König Maximilian II. erbauten, imposanten Gebäude zu sehen.